Brasilianisches Amazonasgebiet, Provinzhauptstadt Altamira, am Fluss Xingu. Hier entsteht seit 2011 der drittgrößte Staudamm der Welt – Belo Monte: Strom für den »wirtschaftlichen Aufstieg Brasiliens«. Und den Rohstoffhunger der Welt. So die offizielle Version. Doch hinter den Kulissen geht es um milliardenschwere „Extraprofite“ für Baufirmen und Politiker.
„Das ist eine kriminelle Vereinigung“, sagt der katholischen Bischof von Altamira, Erwin Kräutler, und verweist auf den aktuellen „Petrobras- Skandal“, der Brasilien erschüttert. Auch europäische Weltfirmen wie Siemens, Andritz oder Norsk Hydro wollen kräftig mitverdienen. Indem sie Turbinen bauen oder Bauxit zu Aluminium verhütten.
150 weitere Staudämme sollen im Amazonasgebiet neu gebaut werden. Dafür will man Hunderttausende Hektar Urwald roden, Indigene und Flussbauern vertreiben. Auch am Fluss Tapajos. Doch die Indigenen vom Stamm der Mundruku leisten erbittert Widerstand, während am Xingu schon Zehntausende zwangsweise umgesiedelt werden.
Ende 2008 beginnen Martin Keßler und sein Team mit den Dreharbeiten zu dem Dokumentarfilm „Eine andere Welt ist möglich – Kampf um Amazonien“ (93 min, 2009). Damit startet eine weltweit einzigartige dokumentarische Langzeitbeobachtung über den Konflikt um Großstaudämme im Amazonasgebiet: „Count Down am Xingu / Tapajos“. Bis 2015 erscheinen fünf weitere Dokumentarfilme (s.u.).
Amazonas – Metropole Belem. Hier treffen sich im Januar 2009 über Hunderttausend AkivistInnen aus aller Welt. Zum Weltsozialforum. Auch wir sind mit unserer Kamera dabei. Gemeinsam mit Häuptling Jose´ Carlos. Zuvor haben wir mit ihm in seinem Dorf Terra Wanga gedreht. Wenn der Fluss Xingu zu einem Megastaudamm aufgestaut wird, verlieren die Menschen in seinem Dorf die Lebensgrundlage. Wie auch anderswo in den Indigenen-gebieten.
Daher sind fast 3000 Indigene aus dem gesamten Amazonasgebiet nach Belem gekommen. Um die Welt aufrütteln, denn der Amazonas-Urwald – die grüne Lunge der Welt – wird immer weiter zerstört. Durch Großprojekte wie den Staudamm „Belo Monte“. „Ich appelliere an Sie, an die gesamte Weltöffentlichkeit ! Verhindern Sie Belo Monte!“, fleht seinerzeit auch der katholische Bischof Erwin Kräutler in unsere Kamera. Vergebens.
Zwei Jahre später beginnt der Bau des Megastaudamms. Gegen den massiven Widerstand der betroffenen Bevölkerung, gegen den Rat führender Wissenschaftler, gegen die brasilianischen Gesetze.
Für die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff ist Belo Monte das persönliche Prestige-objekt: das größte Bauprojekt Brasiliens, über 10 Milliarden Euro schwer. Bis Ende 2015 haben fast 30 000 Bauarbeiter Belo Monte so weit gebaut, dass die Flutung kurz bevor steht. Obwohl Dutzende Gerichtsverfahren gegen das Megaprojekt noch nicht entschieden sind. Trotzdem soll in 2016 die erste Turbine ans Netz.
Dabei ist das Gefälle im Amazonasgebiet viel zu gering, müssen riesige Flächen geflutet werden, um genügend elektrische Energie zu gewinnen. Immer öfter bleibt der Regen aus – eine Folge des Klimawandels. Daher fallen viele brasilianische Staudämme trocken, wären Solar – und Windenergie die bessere Alternative. Trotzdem – allein am Fluss Tapajos sind acht weitere Großstaudämme geplant.
Doch Staatsanwälte und Indigene haben jetzt das Genehmigungsverfahren am Tapajos erfolgreich blockiert. Und die Spitzenmanager der Baukonzerne wandern reihenweise in die Gefängnisse, Abgeordnete und Minister stehen vor Gericht. Wegen milliardenschwerer Schmiergelder, die beim „Petrobras – Skandal“ und beim Bau der Megastaudämme geflossen sein sollen.
Wie sich der Konflikt weiter entwickelt – darüber werden wir auch künftig berichten. Trotz immer schwieriger finanzieller Bedingungen für unser Langzeitprojekt. Wir wollen weiter mit den Bauherren von Belo Monte sprechen, sind weiter mit Bischof Kräutler und Antonia Melo von der Bürgerbewegung „Xingu vivo“ unterwegs. Wir interviewen Staatsanwälte und berichten von Aufständen der Bauarbeiter und der Indigenen. Und von den Unterstützungs-aktionen europäischer NGOs, die für einen Ausstieg europäischer Konzerne aus den Staudammprojekten werben.